Steffi Morgenstern schmiedet Persönlichkeiten. Ihr Handwerkszeug: Menschenkenntnis, Kreativität und Gold. Aus diesen Zutaten formt sie individuellen Schmuck, und das schon seit 33 Jahren. 1989 eröffnete sie ihren ersten eigenen Laden an der Hauptstraße 42, damals noch unter dem Namen „Goldschmiede Schmidt-Perry“. 18 Jahre später zog sie in die Hauptstraße ein gutes Stück hinunter, in das Haus 191. Damit kehrte sie zumindest räumlich zu den Anfängen ihrer Karriere zurück: 1978 hatte sie beim ursprünglichen Geschäftsinhaber mit einem Praktikum begonnen. Nach der mittleren Reife hatte Morgenstern gezielt nach einem handwerklichen Beruf gesucht. „Ich wollte etwas Kreatives mit den Händen machen“, erklärt sie. Auch Schreinerin hatte sie in Erwägung gezogen. Doch die Späne, die heute von ihrem Arbeitsplatz in das sogenannte ‚Fell‘ fallen, sind aus Gold. Mit Bohrer und Fräser rückt sie dem Rohmaterial zu Leibe; es sirrt wie beim Zahnarzt. Morgenstern allerdings trägt im Beruf nicht Weiß, sondern Schwarz. Das hat einen praktischen Hintergrund: „Bis der Schmuck glänzt, bin ich völlig dreckig“, erklärt sie. In der Tat sind ihre Finger ebenso dunkel wie ihre Kleidung. Das Geschäft mit dem Schmuck ist eine schmutzige Angelegenheit. Und harte Arbeit; Mehrere Kilogramm wiegen zum Beispiel Kugelpunze und Anke, mit denen sie wie in einem Mörser Halbkugeln für Anhänger oder Ohrringe formt. „Danach braucht man kein Bodybuilding mehr“, schmunzelt Morgenstern. Der zierlichen 50-Jährigen ist die Kraft nicht anzusehen, aber zu Hause gehen schon einmal beim Spülen Gläser zu Bruch oder ihr Mann verzweifelt an der (für seine Hände) fest verschlossenen Thermoskanne. Den filigranen, edel schimmernden Kunstwerken im Schaufenster ist ihre schmutzige, laute Herkunft nicht anzusehen. „Wenn’s hinten hämmert, fragen die Leute immer, ob wir Handwerker da haben“, sagt Morgenstern. Dabei sind alle vier Mitarbeiter des Geschäfts Handwerker. „Wir sind Schmiede, das vergessen die Leute immer“. Schmiede, die sich der Schönheit verschrieben haben. Die liegt an der Hauptstraße 191 im Auge des Kunden. Er soll in Morgensterns Schmuck „etwas finden, das ihn zu seinem Schmuck macht“. Die Goldschmiedin ist überzeugt: „Wie jeder Kunde ist auch jedes Schmuckstück anders“. Die Persönlichkeit des Kunden zu erfassen, gehört deshalb zu ihrer Arbeit wie die schmutzigen Finger. „Es ist spannend, sich da heranzutasten“, findet sie. Erst nach diesem Herantasten kann die Arbeit weitergehen: mit Skizze, Wachsmodell und schließlich der Umsetzung in Gold. So stecken schon in einem Ring schnell zwischen drei und sechs Stunden Arbeit. Aufwand und Gold haben ihren Preis: Rund 5000 Euro kostest das teuerste Schmuckstück, das Morgenstern derzeit ausstellt. Der sichtbare Wert der Ware weckst nicht nur bei potenziellen Kunden Begehrlichkeiten. “ Ich hatte hier auch schon Leute drin, die sehr genau die Kameras betrachtet haben“, berichtet die Goldschmiedin.
Quelle: WAZ Author: Monique de Cleur Foto: Heinz-Werner Rieck